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Stärkt die Kommunen! Vertraut den Kommunen!

Wir brauchen dringend mehr Entscheidungsgewalt in der kommunalen Selbstverwaltung. Sie ist ein hohes, aber bedrohtes Gut. Mein Plädoyer: Die Zukunft ist GLOKAL. Denkt um, oder wir verlieren die Menschen!

Liebe Parteien. Ich mache mir Sorgen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen. Der Zustand unserer Gesellschaft hat einen bedenklichen Zustand erreicht. Politik und Bürger sind auf Distanz wie lange nicht. Der Graben zwischen „denen da oben“ und denen „hier unten“. Er ist tief, breit und mit einem „weiter so“ nicht mehr zu überbrücken. Wir, das gesamte Land, brauchen einen Neuanfang. Und das nicht nur wegen der Pandemie, die in den vergangenen Monaten das Land im Würgegriff hielt. Und Dank eines weiteren, handlungsfreien Sommers wider besseren Wissens eine weitere Welle erleben wird. wieder Gnadenlos wird sichtbar, dass in unserem Land einiges im Argen liegt. Und das es so nicht weitergehen kann, wenn wir die Menschen nicht vollends verlieren wollen.  Nein. Unsere Demokratie droht zu sterben. Und das hat sehr viel damit zu tun, dass die Herzkammern der Demokratie, die Kommunen, ebenfalls schwer krank sind. Wenn wir die wirklichen Herausforderungen der Zukunft bewältigen und dabei den sozialen Frieden wahren wollen, müssen wir jetzt alles anders machen! Vertraut den Bürgern!  Vertraut den gewählten Räten dort! Vertraut den Kommunen! Teilt die Macht und fordert Verantwortung von allen. Hört auf, alles, aber auch alles in einer Mischung aus Hybris und Machtstreben regeln und vor allem kontrollieren zu wollen. Gebt den Menschen Vertrauen und Stimme zurück.  Sonst werden wir scheitern. Die kommunale Ebene, die Gemeinde, das  Dorf, die Stadt. Sie ist Heimat für einen großen Teil der Bevölkerung unseres Landes. Die kleinste Zelle der Demokratie.

Und der Erlebnisraum „demokratischer Prozess“ ist der Ort, an dem alles sichtbar und spürbar wird, was Politik ausmacht. Hier lernt der Bürger, das Einfluss möglich ist. Und auch, wie schwer es ist, gute und ausgleichende Kompromisse auszuhandeln. Hier kann er sich einbringen, wenn er glaubt, dass es Sinn macht. Doch die Kommune ist geschwächt. Nachhaltig. Seit Jahren und Jahrzehnten hat sie im politischen Geschäft immer weniger Gewicht. Chronisch unterfinanziert und getrieben von Regeln, Verordnungen, Fremdbestimmung und Rahmenbedingungen, die sie selbst kaum beeinflussen kann, ist sie zwar ebenso nah am Bürger wie weit weg von wirklich autark zu bezeichnenden Entscheidungsmöglichkeiten. Mitbestimmung, so lernen die Bürger, ist sinnfrei, weil kaum etwas davon wirklich umsetzbar ist. Oder Sie lernen, dass die Politik sich eben um alles kümmert, statt alles daran zu setzen, lokales Handeln der Bürger zu ermöglichen. So wurde der Bürger zum Bittsteller oder besser zum Besteller. Und die Politik zu einem Lieferdienst. Und einem schlechten dazu, denn nicht alle können eben alles bekommen. Und wer nicht weiß, das Kompromisse schwer zu erhandeln sind und wer nicht lernt, die Mühen der Mitbestimmung durchschreiten zu müssen. Der wird reagieren wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. Das die Playstation will und Socken bekommt. Bestenfalls.  Eine gefährliche Verkehrung des demokratischen Prinzips.

Menschen verlieren das Gefühl von Heimat

Und obwohl alle Kanäle voll sind vom „wir kümmern uns“. Trotz allem bröckeln Schulen, siecht die Infrastruktur langsam dahin, schieben wir Milliarden Euro Sanierungsrückstau vor uns her. Vor allem die kleinen und mittleren Kommunen sehen so langfristig ihrem wirtschaftlichen Ende entgegen. Immer größere Einheiten sollen retten, was so nicht mehr zu retten ist. Riesenkreise, die keinen Bezug mehr zur individuellen Lage der Bürger aufweisen können. Größere Verwaltungseinheiten, die ebenfalls kaum noch eine wirklich gute kommunale Arbeit zulassen. Einheiten, die Kosten senken sollen und oft nur frustrierte Mitarbeiter und ebensolche Bürger hervorbringen. Und Distanzen schaffen. Selten Kosten senken. Weil die Arbeit ja dieselbe bleibt. Oder wir so schnell neue Regeln definieren, dass der Aufwand schneller steigt, als Fusionen überhaupt wirken können. Und während wir feststellen, dass diese Schritte nie Erfolg bedeuten, sehen wir, dass Menschen das Gefühl von Heimat verlieren. Weil sie sich nicht mehr wiederfinden in diesen Gebilden, die sie zu laufenden Nummern werden lassen. Entscheidungen werden zunehmend nicht mehr dort getroffen, wo sie am besten getroffen werden können. Subsidiarität verliert an Bedeutung und der Bürger an sich wird immer weniger gefragt. Ihm bleibt das Wahlkreuz. Oder das Widerspruchsverfahren. Je nachdem, was ihm selbst mehr Aussicht auf „Erfolg“ in seiner Sache verspricht. Nein. Wir müssen anfangen, anders zu denken. Und zu handeln. Jetzt und nicht irgendwann!

Freies Geld ohne Fördervorbehalte für Kommunen

Wir brauchen mehr Entscheidungsgewalt in den Kommunen. Wir müssen ganz genau hinsehen, was in welcher Ebene der repräsentativen Demokratie künftig entschieden werden soll. Wir brauchen mehr Vertrauen des Bundes und der Länder in die kommunale Selbstverwaltung, die ein hohes aber bedrohtes Gut ist. Und wir brauchen ein Europa, dass im Großen denkt, aber im Kleinen Selbstverwaltung wieder möglich macht. Das kein nationalistisches Gebilde ist. Sondern eher der Rahmen, der lokale Räume stärkt und sich ums große Ganze kümmert. Wir brauchen mehr Einfluss der Bürger in der Politik. Die wir aber nur erreichen, wenn wir mit ehrlichen Möglichkeiten dazu einladen und Mitmachen wieder real Sinn macht. Wir brauchen mehr Vertrauen in die Bürger des Landes. Denn letztlich ist es das ihre. Und wir müssen aufhören, das große Kümmern als Aufgabe der Politik zu betrachten. Politik muss ermöglichen. Nicht alles erledigen. Denn sie ist kein Lieferservice. Beginnen wir mit mehr freiem Geld ohne Fördervorbehalte für die Städte und Gemeinden. Hier, wo die Bürger die Haushalte mitgestalten und notfalls direkt widersprechen können. Hier, wo Bürger sich mit Ideen und ihren Gedanken und Meinungen einbringen können (und auch wollen).

Politik muss ermöglichen. Nicht alles erledigen. Denn sie ist kein Lieferservice.“

Hier muss der Staat Macht teilen. Denn nichts anderes bedeutet es, Geld von Vorbehalten und Kontrolle zu befreien. Das ist Macht zu teilen mit denen, die diese per Mandat delegiert haben. Mit denen auch, die derzeit mehr und mehr verloren zu gehen drohen. Die mehr und mehr davon überzeugt sind, dass sie kaum noch Einfluss auf das haben, was ihr Leben bestimmt. Ohnmacht ist die Folge. Sich abwenden auch. Beides macht wütend. Wut macht Veränderung. Wenn wir nicht wollen, dass diese Wut unser Miteinander gefährdet, müssen wir den Bürger wieder ernst nehmen. Und auf Augenhöhe behandeln. Denn anders werden wir die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht im Miteinander lösen können.

Dirk Neubauer, 50, parteilos ist ein ehemaliger Digitalunternehmer und Strategieberater. Der Rathauschef der Stadt Augustusburg seit 2013, ist auch Autor zweier Bücher. „Das Problem sind wir!“ (2019, DVA) und „Rettet die Demokratie! – eine überfällige Streitschrift“ (2021, Rowohlt)

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