Heute vor 70 Jahren hallte erstmals der Ruf nach Freiheit und Gerechtigkeit durch unsere Städte und Gemeinden hier im Osten der Republik. Erstmals begehrten zunächst Arbeiter, dann breite Teile der Gesellschaft gegen ein zutiefst diktatorisches Regime auf. Nur mit Unterstützung russischer Panzer gelang es, die Wut zu bannen. 55 Menschen starben. 15000 wurden verhaftet, litten teils lebenslang an den Folgen der Beteiligung. Ein erster Schritt. Ein Riß im System, der nie wieder heilte oder gar geschlossen werden konnte.
Und der 89 wieder aufbrach.
Wenn ich darüber nachdenke, empfinde ich tiefe Dankbarkeit für all jene, die sich damals mutig gegen ein System stellten, das ohne Argument, ohne Gehör auf Gewalt und Waffen zurückgreifen musste.
Das die eigene Leute erschoss, um Macht zu erhalten und gegen das zu verteidigen, was wir heute als alltäglich gegeben sehen: Demokratie.
Und heute?
Habe wir weitgehend vergessen, uns einzubringen. Und auch wenn es noch immer viele gibt, die sich auf die langen Wege der Veränderung begeben. Durch Räte, Parlamente hindurch. In Initiativen oder schlicht im ehrenamtlichen Zusammen. Ein wachsender Teil nimmt die laute, krawallige Abkürzung. Ersetzt die Mühe der Tat durch laute Forderung. Ersetzt Erkenntnis, Wissenschaft, Expertise und Debatte durch ein beherztes „ich glaube“.
So rufen freie Menschen nach Freiheit, verwechseln Widerspruch in der Debatte mit dem Verbot, Meinung frei äußern zu können. Missbrauchen nicht selten Rederecht und Demonstrationsfreiheit, eigen Diktate errichten zu wollen. Die mit den einfachen Lösungen, die dies oft nur sind, weil sie das Ich über das Wir stellen. Und Werte, die über Jahrzehnte erkämpft wurden, mit einem Federstrich vom Tisch zu wischen suchen. Das ist nicht das Erbe derer, die damals kämpften. Nicht von 53. Nicht von 89.
Freiheit muss man können. Freiheit ist anstrengend, denn sie kennt kein Diktat. Sie fordert das Mittun geradezu heraus. Jeden Tag. Freiheit kennt weder Sicherheit noch Garantie. Sie kennt nur die Idee, Mühe, Bewegung. Sie wird um so besser, je mehr man sie gemeinsam lebt. Im Kompromiss, Ergebnis oft schwerer Debatte, dem mehrheitlichen Kompromiss. Sie will errungen und verteidigt werden.
Vor allem gegen jene, die ihre Schwere, ihre Komplexität und Mühe des Erhaltes mit den Mauern einer Diktatur verwechseln. Nur, weil sie nicht in der Lage sind, sie zu ertragen.
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