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Ein offenes Wort

Die aktuelle politische Entwicklung geht auch an unserer Stadt nicht vorüber. Tausende Menschen gehen in Leipzig, Dresden und anderswo auf die Straße um zu demonstrieren. Auch aus Augustusburg fahren Menschen zu diesen „Spaziergängen gegen die drohende Islamisierung des Abendlandes“. Nein. Ich unterstelle keinem der Teilnehmer Fremdenfeindlichkeit. Doch ob gewollt oder nicht: Pegida und Co stehen zu einem Teil eben dafür. Und für die Angst vor dem, was man nicht kennt, was anders ist. Um es klar zu sagen: Dies ist zu verurteilen! Menschen, die vor Armut, Willkür und Todesgefahr aus ihrer Heimat fliehen, bekommen unsere Hilfe. Das ist, was Zivilisation, was moderne Gesellschaft, was Menschsein ausmacht. Das ist nicht verhandelbar. Insbesondere nicht in einem Land, dass millionenfachen Tod über die Welt brachte und das ohne die Hilfe der geschundenen Feinde wohl kaum in dieser Stärke aus den Ruinen seines Tuns auferstanden wäre. Und auch nicht in einem Land, das im Anschluss daran durch jahrzehntelange Wirtschaftsüberschüsse einen Teil dieser Armutsflüchtlingen selbst produziert hat. Wir sind auch deshalb ein reiches Land. Wir müssen helfen. Doch drehen sich die Demos nur darum? Ich denke nicht. Hier artikuliert sich viel Unmut, der nicht mit Ausländern und Angst vor Überfremdung verbunden ist. Hier marschieren Menschen, die sich in unserem System nicht wiederfinden, sich nichtmehr gehört fühlen. Menschen auch, die sich grundsätzlich fragen, wie es weitergehen soll in unserem Land und die im allgemeinen Politsprech keine Lösungen erkennen können. Für mich sind diese Demonstrationen aber auch ein Zeichen von schwindendem Verantwortungsbewusstsein und politischer Bequemlichkeit. Ein Alltagsspiegel sozusagen, denn das ist, was auch wir erleben. Beschwerden über Kleinigkeiten, die immer aggressiver formuliert werden. Manches Bürgergespräch, das eher eine Anklage, als die Frage nach einer Lösung ist. Manche Mail, die ein Problem viel zeitaufwändiger beschreibt, als dessen Lösung gedauert hätte, würde der Autor selbst zufassen. Der Staat, die Stadt – irgendwer muss alles richten. Die, die immer machen und damit vieles freiwillig zusammenhalten, was Zusammenleben ausmacht, werden immer weniger. Der Ton ist rau geworden in unserer Gesellschaft und verlangt Veränderung. In beiden Richtungen, denn der Staat, die Stadt – das sind wir. Man kann mit vielem in diesem and nicht einverstanden sein. Das ist legitim und dieses auszudrücken in einer Demokratie ausdrücklich erwünscht und richtig. Auch ich habe viele Fragen. Doch die Freiheit diese zu stellen, hat einen Preis. Wer sie stellt, der muss sich einbringen, um Antworten zu finden. Das ist mühsam, unbequem, weit außerhalb der Komfortzone. Und dafür gibt es Möglichkeiten genug. Doch viele bleiben ungenutzt. Wenn ich die durchschnittlichen Besucherzahlen der Bürgerfragestunden unserer Ratssitzungen zugrunde legen würde, müsste ich auf eine sorgenfreie Stadt schließen. Und auf blauen Himmel über den Stammtischen. Doch dem ist so nicht. Das „wir für uns“ weicht einem „wir gegen die da“. Begründet durch ein „ändert sich ja eh nichts.“ Das ist politisch bequem und leider falsch. Und es befreit nicht von der Mitverantwortung eines jeden von uns. Demonstrationen sind richtig und wichtig und nicht ohne Grund ein behütetes Grundrecht. Doch wer gegen etwas ist, sollte auch für etwas sein. Und bereit sein, dieses auch mit umsetzen. Nur dann beginnt wirkliche Veränderung.

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